Billich wird datt nich!

Der Kult des Selbermachens in unserer Gegend hat bei mir zu einem tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex geführt. Na gut, der sitzt jetzt nicht so tief, dass ich irgendwann den Ehrgeiz gehabt hätte, mir echte handwerkliche Fähigkeiten anzutrainieren, aber letztlich brauche ich immer eine Ausrede, wenn ich Handwerker engagiere. Am liebsten führe ich Zeitmangel und körperliche Gebrechen an oder schiebe es gleich auf einen genetischen Defekt: »Hach, ich habe einfach zwei linke Hände!«

Mein Vater war Elektriker, konnte aber auch alles andere. Da er Selbstständiger mit einer winzigen Firma war, mussten Arbeiten in der eigenen Wohnung am Wochenende und sehr schnell erledigt werden. Da wurde zwischen Freitagnachmittag und Sonntagabend die ganze Wohnung tapeziert, und bot ich gleich zu Beginn meine Hilfe an, bekam ich den Satz zu hören, der den Heimwerker in mir im Keim erstickte: »Du hilfst mir am meisten, wenn du nicht dabei bist.« Auf Drängen meiner Mutter nahm er mich einmal doch mit auf eine Baustelle und ließ mich Kabel mit Kabelklemmen unter die Wände hämmern, musste aber hinterher wieder alles abreißen und neu verlegen.

Da ich schon als Kind immer nur staunend zuschaute, wie mein Vater Küchentapeten mit komplizierten Blumenmustern in den Modefarben der mittleren Siebziger kantengenau an die Wände klebte, war ich weitgehend verloren, als ich schließlich von zu Hause auszog und derlei selbst erledigen musste - aber nicht konnte. Okay, eine schon mit Raufaser tapezierte Wand weiß überzupinseln, das habe ich gerade noch hingekriegt, wenn aber das Pickelpapier erst noch angebracht werden musste, war ich verloren. Nicht zu reden von der Montage von Möbeln oder dem Anschließen von Herden an lebensgefährliche Starkstromleitungen.

Also musste ich ständig Freunde bitten, mir unter die Arme zu greifen, und revanchierte mich mit Hektolitern Freibier und diversen Tonnen Frikadellen und Kartoffelsalat, die Omma herstellen durfte. Und ich ließ mich beim Schleppen nicht lumpen. Außer wenn andere umzogen. Da überfiel mich dann schon mal kurzfristig eine schwere Magen-Darm-Verstimmung oder es kam ein wichtiger Auftritt in Süddeutschland dazwischen. Das hatte zur Folge, dass ich mich das betreffende Wochenende über in meine Wohnung einschließen und mir amerikanische Actionfilme reinschrauben musste, bis ich eine 45er Magnum mit verbundenen Augen hätte auseinanderbauen und wieder zusammensetzen können.

Da ich auf die Fachkräfte meines Vaters schon früh nicht mehr zurückgreifen konnte, holte ich mir irgendwann doch den einen oder anderen Handwerker ins Haus, ein Vergnügen, das etwa dem entspricht, das man beim Kontakt mit der Hotline der Telekom empfindet. Das, was dann folgt, lässt sich in den Top-Ten-Sätzen der Handwerkerei zusammenfassen:

1.          »Geht nich!« (Erste Reaktion des Handwerkers, der eines Problems ansichtig wird.)

2.         »Ja nun mal langsam!« (Zweiter Satz des Handwerkers, nachdem man die Nummer des Mitbewerbers gewählt hat.)

3.         »Billich wird datt nicht!« (Dritter und vorletzter Satz des Handwerkers, der so tut, als ginge es beim Anschluss einer Steckdose um die Reparatur eines Warp-Antriebs.)

4.         »Brauchen Sie unbedingt ne Rechnung?« (Vierter und letzter Satz des Vorgenannten.)

5.         »Ich säg das Ding mal ab, wird schon kein Gasrohr sein!« (Vermutung des in Handwerksdingen vorgeblich bewanderten Studienkollegen, den man nur angerufen hat, weil man sich den Handwerker legal nicht leisten konnte und illegal nicht leisten wollte.)

6.         »Ups!« (Reaktion des Studienkollegen ein paar Sekunden später.)

7.         »Billig wird das nicht!« (Ausruf des Feuerwehrmannes nach der vorsorglichen Evakuierung der Straße während der Instandsetzung der angesägten Gasleitung.)

8.         »Ich hab doch gesacht, datt geht nich!« (Fachmännisches Urteil des Handwerkers, den man dann doch wieder angerufen hat.)

9.         »Getz habbich abba erssma ne andere Baustelle.«

10. »Abba eins sach ich Ihnen gleich: Billich wird datt nich!«

 

Vielleicht mache ich es einfach wie Udo Lindenberg und ziehe ins Hotel.

 

Radio Heimat
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